Ursachen
Bei jeder Form des Einnässens handelt es sich um einen äußerst vielgestaltiges Phänomen, das genau beschrieben und abgeklärt werden muss. Bei der Ursachenforschung der Enuresis sind erst in den letzten Jahren einige wichtige Punkte eindeutig geklärt bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ursache erkannt worden.
Genetik der Enuresis
Die familiäre Häufung der Enuresis ist seit den dreißiger Jahre bekannt. Es wird ein autosomal dominanter Erbgang mit einer Penetranz von über 90 % vermutet. Allerdings tritt die Erkrankung in 30 % der Fälle sporadisch auf. Bis zum Jahr 2001 waren alle vermuteten Kandidatengene ausgeschlossen worden. [1] In einer aktuellen türkischen Studie wird erneut ein Marker für die Enuresis zur Diskussion gestellt.[2]
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die Reizverarbeitung im Gehirn gestört, so dass nicht alle ankommenden Reize angemessen verarbeitet werden können. Dazu gehören auch die Signale von Harnblase und Darm. Bei Kindern mit ADHS treten Enuresis und Enkopresis wesentlich häufiger auf als bei nicht betroffenen Kindern.[3]
ADH-Plasmaspiegel bei Enuresis nocturna
Puri hatte bereits 1980 ADH-Spiegel im Urin bei Enuresis untersucht.[4] Seitdem wird beim Bettnässen eine Störung der durch ADH cirdadian regulierten Harnausscheidung vermutet. Man nimmt an, dass die Ursache für die Enuresis ein ADH-Mangel in der Nacht ist.[5] Bei älteren Patienten mit nächtlichem Einnässen, sowie bei Schlaganfallpatienten kann die Gabe von Desmopressin daher die Beschwerden verbessern.[6][7] Es ist auch ein Zusammenhang zwischen Enuresis und dem Schlafapnoesyndrom vermutet worden.[8]
Nächtliches Einnässen durch gebremste Gehirnentwicklung?
Wenn ein älteres Kind noch ins Bett macht, sind die Nervenbahnen in seinem Gehirn eventuell noch nicht genügend ausgereift, so dass Bettnässen bei diesen Kindern demnach keine psychologische, sondern eine rein körperliche Ursache haben könnte. Einige dieser Patienten sprechen auf Behandlung mit dem antidiuretischen Hormon (ADH) jedoch nicht an. Es wird vermutet, dass bei diesen Kindern die Verbindung zwischen verschiedenen Gehirnbereichen und daher die willkürliche Blasenkontrolle im Schlaf noch nicht ausreichend entwickelt ist.
Die Mediziner ließen Kinder, die nachts regelmäßig einnässten und mindestens 7 Jahre alt waren, einen Test verschiedener Gehirnfunktionen absolvieren. Bei diesem Rey-Osterrieth Complex Figure Test gilt es, eine Grafik zunächst abzumalen und später aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren. Macht ein Kind dabei besonders viele Fehler, deutet dies auf eine verzögerte Gehirnentwicklung hin. Die Forscher fanden, dass ein Zusammenhang zwischen der Fehlerzahl und dem Erfolg einer Hormonbehandlung bestand. Beispielsweise machten einige Kinder Fehler, aber keines von ihnen sprach auf die Hormongabe an. Es wird vermutet, dass bei diesen Kindern die Verbindung zwischen Sehrinde, Hypothalamus und Hirnanhangsdrüse noch nicht ausgereift ist. Nach Ansicht der Mediziner könnten sich aus diesem Ergebnis neue Ansätze für die Behandlung von älteren bettnässenden Kindern ergeben.
Schlafmuster
Das Schlafmuster der Enuretiker ist zwar prinzipiell vergleichbar mit dem beschwerdefreier Kinder. Die Betroffenen sind aber ausgesprochen schwer erweckbar; es wird heute eine pathologisch erhöhte Aufwachschwelle bzw. eine verzögerte Reifung des Aufwachmechanismus postuliert. Der Reiz der gefüllten Blase reicht nicht aus, das Kind zu wecken.
Flüssigkeitszufuhr und nächtliches Einnässen
Eine hohe abendliche Flüssigkeitszufuhr hat möglicherweise einen verstärkenden Einfluss auf das nächtliche Einnässen, mehr als 25 ml pro Kilogramm Körpergewicht haben in einer Studie enuretische Episoden hervorgerufen. Die pathogenetische Bedeutung der verminderten funktionellen Blasenkapazität wird unterschiedlich diskutiert. Eigene urodynamische Untersuchungen bei Kindern mit therapierefraktärer klinisch monosymptomatischer Enuresis nocturna konnten einen hohen Prozentsatz pathologischer funktioneller Blasenkapazität nachweisen.
Psychosoziale Ebene
Es gibt keine spezifische Assoziation mit bestimmten psychischen Auffälligkeiten. Risikofaktoren vor allem bei der sekundären Enuresis beziehen sich einerseits auf Verluste im weitesten Sinn, wie zum Beispiel Trennung, Scheidung, Todesfälle, Geburt eines Geschwisters, extreme Armut, Delinquenz der Eltern, Deprivation, Vernachlässigung, mangelhafte Unterstützung bei Entwicklungsschritten, andererseits auf einen Krankheitsgewinn durch Regression, die Ausscheidung zieht Zuwendung in Form von Versorgungshandlungen durch die Eltern nach sich.